Selbstversorgung: Auf dem Lande und in der Stadt

Selbstversorgung ist im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde: Viele Menschen möchten ganz genau wissen, was in ihren Lebensmitteln enthalten ist. Obwohl es im Handel wirklich gute Bio-Produkte gibt, können spritzmittelfreie Lebensmittel nicht zu hundert Prozent garantiert werden. Denn Pestizide können vom anderen Feld herübergeweht werden. Mit Selbstversorgung aus dem eigenen Garten oder dem eigenen Balkon lässt sich das besser kontrollieren und überprüfen. Dabei gibt es aber unterschiedliche Vorstellungen davon, was Selbstversorgung bedeutet. In diesem Artikel möchte ich verschiedene Formen der Selbstversorgung vorstellen, damit Du entscheiden kannst, welche für dich am besten passt!

Das klassische Verständnis: Selbstversorgung auf dem Land im eigenen Garten

Eine der typischen Formen der Selbstversorgung ist die mit Gemüse aus dem eigenen Garten. Diese Form wird auch heute noch in verschiedenen Graden auf dem Land in Gärten mit unterschiedlichen Größen praktiziert. Diese Selbstversorgung wird kaum noch zur wirklichen Selbst-Versorgung im eigentlichen Sinne praktiziert. Meistens geht es den Gärtnerinnen und Gärtnern eher darum, schmackhaftes Gemüse aus dem eigenen Garten ernten zu können, das in der Sortenvielfalt oft auch größer ist als im Handel. In den wenigsten Fällen werden Getreide oder Ölsaaten wie Sonnenblumen oder Raps angebaut, da die Verarbeitung aufwändig und teuer ist und entsprechende Produkte in hochwertiger Bio-Qualität im Handel erworben werden können. Aus dem gleichen Grund werden oft auch keine Kartoffeln angebaut, da diese vergleichweise viel Fläche im Anbau benötigen und ebenfalls gut im Handel zu bekommen sind. Es geht hier also nicht um die Selbstversorgung mit Nahrungskalorien, sondern mit schmackhaftem Gemüse und vermutlich auch um die Freude am Anbau und der Verarbeitung. Zum Beispiel von Tomaten zu Tomatensauce für den Winter oder zum Verschenken an Verwandte und Bekannte. Zusätzlich wird oft auch Obst und Nüsse in kleineren Mengen angebaut. Kirschen, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Walnüsse aber auch viele Beerenarten.

Selbstversorgung für Aussteiger

Eine andere Art der Selbstversorgung wird von Menschen praktiziert, die sich möglichst vollwertig von selbst angebauten Lebensmitteln ernähren wollen. Hier wird meist ein Selbstversorgungsgrad von 70%-100% angestrebt, wofür deutlich größere Flächen benötigt werden. Selbst in permakulturellem und biointensivem Anbau sollte man je nach Ernährungsform (Omnivor, vegetarisch oder vegan) mit ca. 5000m² Anbaufläche pro Person rechnen – dabei wird die benötigte Fläche kleiner, je weniger Tiere im Garten gehalten werden. Oft wird auch hier weiterhin auf den Anbau von Getreide verzichtet, da sich die Verarbeitung für eine Klein- oder Großfamilie nicht lohnt. Ausweichen kann man hier auf Kartoffeln, (Öl-)Kürbisse, Sonnenblumen sowie verschiedene Bohnenarten und verschiedene Nüsse, um die Kalorienmenge zu decken.

Denn nur mit klassischem Gemüse kann man sich nicht ernähren – die Kaloriendichte ist einfach zu gering. Man müsste jeden Tag theoretisch viele Kilogramm Gemüse essen, nur um eine Kalorienaufnahme von 1500 Kcal zu erreichen, man wäre also fast nur mit Essen beschäftigt. In größeren Zusammenschlüssen wie z.B. in Ökodörfern wird auch Getreide angebaut, da sich die Verarbeitung hier mehr lohnt und kleinere Maschinen halbwegs rentabel angeschafft werden können. In der Lebensgemeinschaft Schloss Tempelhof in Baden-Württemberg wird beispielsweise zusätzlich zum Gemüse und Kartoffeln auch Getreide angebaut und verarbeitet.

Oft spielt bei diesem Verständnis von Selbstversorgung auch die eigene Verarbeitung und Haltbarmachung der Feldfrüchte eine große Rolle. Brotbacken kann eine wahre Freude sein, wenn man das Handwerk beherrscht. Wer hier einsteigen möchte sollte sich beim inoffiziellen “Brotbackpapst” Lutz Geißler umschauen. Zur Verarbeitung gehört aber auch die Haltbarmachung und gegebenenfalls Fermentation des angebauten Gemüses.

Selbstversorgung in der Stadt? Urban Gardening und urbane Selbstversorgung

Eine weitere Form der Selbstversorgung wird zunehmend auch in Städten betrieben. Heute leben über 70% der deutschen Bevölkerung in Städten – die Nahrungsversorgung wird aber zum allergrößten Teil von Landwirtinnen und Landwirten außerhalb der Stadt bewältigt. Dass diese Situation nicht besonders nachhaltig ist, liegt auf der Hand: Täglich müssen hunderte LKW-Ladungen mit Lebensmitteln in die Städte gefahren werden, um die Supermärkte zu beliefern. Auch wenn in der Stadt bisher keine große Nahrungsversorgung stattfindet, gibt es durchaus gute Möglichkeiten sich in der Stadt unabhängiger von gekauften und vom Land “importierten” Lebensmitteln zu machen.

Eine Möglichkeit ist der Anbau von Salaten oder Spinat und anderen einfach zu pflegenden Blattgemüsen auf dem eigenen Balkon. Hierbei sollte man aber aufpassen, dass man nicht an einer Hauptverkehrsstraße wohnt, denn sonst nimmt das Gemüse Schwermetalle aus der Luft auf – das Gemüse ist dann von schlechterer Qualität als aus dem Supermarkt. Autofreie Städte wären also auch für den Gemüseanbau in der Stadt von Vorteil. Zusätzlich oder alternativ dazu kann natürlich auch in der Wohnung auf dem Fensterbrett Gemüse angebaut werden. Mittlerweile gibt es sogar im Handel erwerbliche Zuchtsysteme die mit künstlichem Licht und einer Nährlösung funktionieren. In China werden mit diesem System auch ganze Städte mit Salaten aus großen Zuchthäusern versorgt. Dabei muss jeder selbst entscheiden, ob er Gemüse aus Nährlösungszucht gerne essen möchte oder nicht.

Neben dem Gemüseanbau gibt es auch noch die Möglichkeit der Pilzzucht in den eigenen vier Wänden.

Mittlerweile gibt es (bald auch in unserem Shop) Pilzzuchtkits mit denen in mehreren Wellen mehrere Kilogramm Pilze geerntet werden können. Weiße Champignons kommen dabei auch ganz ohne Licht aus und können in völliger Dunkelheit zum Beispiel in einem Küchenschrank gezogen werden. Andere Pilzsorten brauchen zwar Licht, sollten aber nicht in direkter Sonne stehen. Solche Sorten können also gut in dunkleren Ecken der Wohnung angebaut werden. Toll ist, dass es hier auch viele essbare Sorten zu kaufen gibt, die man im Handel normalerweise nicht bekommt. Außer den bekannten (Kultur-)Pilzsorten aus dem Handel wie Champignons, Kräuterseitlinge, Shii-Take, Mu-Err oder Austernpilze finden sich so exotische Namen wie Rosenseitlinge, Pom-Pom, Pioppinno, Limonen- und Namekopilze. Hier winken also neben dem Aspekt der Selbstversorgung also auch tolle kulinarische Erlebnisse und das eine oder andere tolle Foto für das Instagram-Profil, sowie originelle Geschenke für Verwandte und Bekannte bei der nächsten Party.

Fermentation und Haltbarmachung: Eine Jahrhunderte alte Technik

Die Technik der Fermentation oder der Haltbarmachung generell will ich hier bewusst keiner der Selbstversorungsformen zuweisen, da sie prinzipiell bei allen sinnvoll eingesetzt werden kann. Sie gehören aber zur Selbstversorgung an sich dazu, weil das Konservieren von Lebensmitteln schon immer nötig war und immer nötig sein wird. An dieser Stelle noch eine kurze Unterscheidung zwischen Haltbarmachung und Fermentation:

Unter der Haltbarmachung von Lebensmitteln verstehe ich Methoden wie (Ein-)kochen, Pasteurisieren, Einfrieren, Trocknen oder Pökeln. Bei dieser Methode werden die Mikroorganismen in den Lebensmitteln entweder abgetötet oder so in ihrem Wachstum verlangsamt, dass sie die Nahrung nicht mehr oder nur noch sehr langsam verändern können.

Bei der Fermentation nutzt man ebendiese Fähigkeit mancher Mikroorganismen zur Transformation von Lebensmitteln. Der Unterschied zu einer “wilden” Fermentation bei der das Lebensmittel durchaus ungenießbar oder giftig werden kann ist, dass spezielle Baktierienstämme, z.B. Milchsäurebakterien oder (Zucht-)hefen für die Fermentation genutzt werden. Diese machen die Nahrung nicht ungenießbar sondern unterdrücken andere, schädliche Mikroorganismen und machen das Lebensmittel zum einen haltbar und verändern zum anderen den Geschmack.

Über die Jahrhunderte haben wir Menschen auf der ganzen Welt eine Vielzahl von Fermentationsmethoden und -rezepten entwickelt. Ob Kimchi (fermentierter Kohl, oben im Bild), Sauerkraut, Bier, Wein oder Brot – wir essen und trinken täglich Lebensmittel die auf die eine oder andere Art und Weise einem Fermentationsprozess unterzogen wurden. Manchmal werden diese dann im Anschluss zur Fermentation noch Pasteurisiert, damit sie im Supermarktregal länger halten. Sauerkraut aus der Dose zum Beispiel enthält keine lebendigen Mikroorganismen mehr – in gut sortierten Supermärkten findet man in der Gemüseabteilung aber durchaus noch lebendiges Sauerkraut.

Die Fermentation hat gegenüber der Haltbarmachung den Vorteil, dass keine Energie von außen für die Haltbarmachung (außer bei der Lufttrocknung) zugeführt werden muss – das einzige was benötigt wird ist ein wenig Salz und ggf. bestimmte Fermente, z.B. Frischhefe beim Brot oder Bierhefe beim Bier. Lebendige fermentierte Produkte (also nicht nachträglich erhitzt oder anderweitig haltbar gemacht) werden auch immer wieder als förderlich für die Verdauung bezeichnet. Obwohl es hierzu keine eindeutige wissenschaftliche Auffassung gibt, wurde dieser Effekt bisher nicht widerlegt – jeder kann und sollte sich also selbst ein Bild machen, wie sich fermentiertes Essen auf die eigene Gesundheit auswirkt.

Allerdings eignet sich die Fermentation nicht für alle Lebensmittel. Bestimmte Gemüse verändern ihre Textur im Fermentationsprozess so sehr, dass sie manchen Menschen danach nicht mehr schmeckt. In anderen Ländern werden verschiedene Lebensmittelkonstistenzen zwar durchaus geschätzt (z.B. in China), aber man sollte sich hier durchaus auf seinen Sinne verlassen. In dem Fall, dass sich ein Gemüse nicht gut fermentieren lässt, kann durchaus auf andere Haltbarmachungsmethoden ausgewichen werden. Dazu gehören auch das saure einlegen in Essiglake oder auch das Einlegen in Öl (besonders gut geeignet für Pilze). In allen Fällen bereichern haltbar gemachte und fermentierte Speisen unsere Ernährung und den Geschmack. Ich finde es immer toll, einige selbst fermentierte Lebensmittel wie Kimchi, Sauerkraut oder eingelegte Pilze im Kühlschrank stehen zu haben und sie in meinen Speiseplan mit einzubauen. Auch Gästen biete ich diese gerne an – sie werden fast immer sehr positiv angenommen.

Außer Bier und Wein können auch andere Getränke daheim fermentiert werden. Vor allem Kombucha, Wasser- und Milchkefir lassen sich sehr einfach selbst herstellen. Hierzu braucht man nur einen entsprechenden Pilz (bald bei uns im Shop erhältlich) und Nahrung für den Pilz. Wasserkefir kann zum Beispiel mit einigen Zitronenscheiben, etwas Zucker und Trockenobst zu einer leicht alkoholischen (max. 2,5 Vol.-%), kohlensäurehaltigen Limonade verwandelt werden. Es lohnt sich, verschiedene Rezepte auszuprobieren und seinen fermentierten Getränken einen ganz individuellen Geschmack zu geben. Mit Milchkefirpilzen kann ein leicht säuerliches, perlendes Milchgetränk hergestellt werden, dass vor allem im Sommer gut genossen werden kann. Mit manchen Kefirpilzen lassen sich auch vegane Joghurts aus Soya- oder Kokosmilch herstellen. Mehr dazu werde ich aber in einem anderen Beitrag schreiben.

Die vielen Facetten der Selbstversorung – welche passt zu Dir?

Nun hast Du einige Formen der Selbstversorgung und ihre Facetten kennengelernt. Welche zu Dir passt hängt zum einen natürlich von deinem primären Wohnort ab (auf dem Land oder in der Stadt) aber auch nach deinen Präferenzen bei der Selbstversorgung. Willst du möglichst viele Kalorien selbst anbauen? Oder möchtest du schmackhaftes Gemüse mit einer hohen Sortenvielfalt aus deinem Garten ernten? Willst du auf deinem Balkon knackige Salate ziehen und Pilze in deiner Wohnung anbauen? Wie willst du deine Ernte haltbar machen? Die Selbstversorgung kann schnell zum aufregenden (kulinarischen) Abenteuer werden, wenn man tiefer in die Materie einsteigt. Ich kann aus persönlicher Erfahrung sagen: Es lohnt sich! Probier es einfach aus und fang mit dem an, was dich am meisten anspricht. Zum Beispiel mit einem Pilzzuchtset, das du bald bei uns im Online-Shop bestellen kannst. Oder soll es doch lieber ein prickelnder Kombucha werden? Die Möglichkeiten sind unbegrenzt.

Wenn du tiefer in die Materie einsteigen willst, hast du jetzt die Möglichkeit unser Crowdfunding für Permakultur Online Kurse zu unterstützen. Ich würde mich sehr freuen dir die ganzen Themen die hier im Artikel angesprochen wurden bald vertieft vermitteln zu können!


René Franz - Permakultur Designer

Über den Autor:

René Franz ist Permakultur-Designer (Basisjahr Permakultur-Design PKA) und angehender Politikwissenschaftler. Seit zwei Jahren beschäftigt er sich intensiv mit den verschiedenen Aspekten der Permakultur und macht derzeit die Weiterbildung zum Dipl. Permakultur Gestalter an der Permakultur Akademie. Er engagiert sich ehrenamtlich im Permakultur Institut e.V. in verschiedenen Arbeitskreisen und kennt das Who-is-Who der Szene.

Seine persönlichen Schwerpunkte liegen im Design von Hausgärten, Balkonen, Wohnungen sowie der Begleitung von kleineren Gemeinschaften im Rahmen der sozialen Permakultur.

1 Kommentar zu „Selbstversorgung: Auf dem Lande und in der Stadt“

  1. Das ist alles sehr spannend. Ich baue im 3. Jahr Gemüse, Beeren, Obst, auch Kartoffeln an. Mit wechselndem Erfolg. Dieses Jahr würde ich mehr mulchen. Habe auch mehr Kompost.
    Bin allerdings 80 Jahre. Die Kraft ist nicht mehr so da und das lernen fällt mir schwer. Obwohl ich gerne noch wollte.
    Digital lernen….. naja wir werden sehen!

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